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21. März 2023

„Am 26.11.2013 kamen unsere Zwillinge Aaron & John 8 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin per Kaiserschnitt auf die Welt. John lag auf der Intensivstation, da er Schwierigkeiten beim Atmen hatte und brauchte sehr viel Ruhe. Aaron war auf der normalen Station und ich durfte ihn schon bald einige Minuten auf dem Arm halten. Aaron war der Erste der Zwillinge, den ich gesehen hab. Ich habe mich direkt verliebt und fand ihn unglaublich süß.

Doch nur einen Tag später kamen die Ärzte auf uns zu und äußerten die Diagnose „Downsyndrom“ aufgrund der äußerlichen Merkmale wie die Vierfingerfurche, mandelförmige Augen, die Zunge, die immer wieder raus kam. Ich selbst kannte das Downsyndrom nicht und sagte nur, dann müsse mein Mann es doch auch haben. Er ähnelt ihm doch sehr und ist so wunderschön. Sie belächelten mich nur. Heute weiß ich natürlich auch warum, doch damals hatte ich zuvor keinen Menschen mit dem Downsyndrom gesehen.

Nun – was machte ich zuallererst?? Ich googelte – und bekam die schlimmsten Informationen.

Wir willigten ein, den Gentest durchzuführen und und nach ein paar Tagen kam das Ergebnis: „Es freut uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass es doch kein Downsyndrom ist. Der Gentest ist negativ.“ Die Erleichterung und Freude bei mir und meinem Mann war riesengroß.

Früh war klar, dass die Zwillinge die 8 Wochen bis zum errechneten Entbindungstermin in der Klinik bleiben würden. Da wir noch einen 3,5 Jahre älteren Sohn haben, wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und besuchte Aaron & John jeden Tag.

Einige Tage nach der Entlassung, bei einem Besuch der Zwillinge, kam der Oberarzt rein und schloss die Tür hinter sich. Seine Augen und seine Haltung verrieten mir sofort – jetzt kommt was.

Etwas stimmt hier nicht.

„Frau Käthler, es tut mir leid, es ist doch das Downsyndrom. Wir haben es uns noch einmal genau angeschaut und es die seltene Form des Mosaiks.“

Der Moment war heftig. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen und ich konnte nicht klar denken.
Als der Arzt den Raum verließ, strömten die Tränen und ich realisierte, was das jetzt für mich bedeutete: Ich hatte nun die Aufgabe, nach Hause zu fahren und meinem Mann mitzuteilen, dass es sich doch um das Downsyndrom handelt.
Das war ein wirklich schwerer Weg.

In den folgenden Wochen hatte ich viele schlaflose Nächte. Ängste, die ich vorher nie gekannt habe, zum Beispiel ‚Wenn ich sterbe, wer kümmert sich dann?‘ ‚Mir darf nichts passieren!‘ und ganz andere Fragen und Sorgen schwirrten mir im Kopf herum. Es kam eine unglaubliche Wut auf und ich war sauer auf Gott.

Ich fragte ihn, was er sich dabei gedacht hat?!
Warum hat er das zugelassen?
So viele Fragen, die ich Gott stellte…

Nach diesen 8 Wochen wurden die Zwillinge beide mit Herz-Lungen-Überwachungsgeräten entlassen. Doch schon ein paar Tage später wieder ins Krankenhaus eingeliefert. Acht mal mussten die Zwillinge im Wechsel wegen Sauerstoffabfällen und/oder Bronchitis ins Krankenhaus Einmal hatte es Aaron sehr getroffen und er war diesmal wegen einer Lungenentzündung in der Kinderklinik.

Dann musste auch noch mein Mann selbst ins Krankenhaus wegen einer chronischen Erkrankung. 

Ich versuchte nur zu funktionieren um allem gerecht zu werden, während der ganze Druck schwer auf mir lastete: Ich hatte einen Sohn im Kindergartenalter, Zwilling John zuhause mit einer Herz-Lungen-Überwachung und sein Bruder Aaron war in der Klinik.

Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, in der ich Aaron im Krankenhaus in den Armen gehalten habe. Ich war traurig und innerlich völlig am Boden zerstört. Da gab es diesen einen Moment: Ich betrachtete mich von außen und sah mich mit Aarons Augen. Er sah mich an und in meinen Gedanken bildeten sich die Worte: ‚Mama warum bist du so traurig? Ich bin doch auf die Welt gekommen. Warum kannst du nicht über das Leben glücklich sein?‘

Mich packte die Scham..

‚Ja!
Ich liebe Euch beide so sehr und habe so lange auf euch gewartet.
Es war Liebe auf den ersten Blick.
Ja, ich will mich freuen!
Und JETZT, hier und jetzt, bin ich für Euch da!‘

Ab diesem Moment wendete sich das Blatt und die „Trauerphase“ war vorbei.



Ich erinnerte mich an einen Traum, den ich in der Schwangerschaft hatte. Im Traum bekam ich einen Kaiserschnitt und die Zwillinge kamen zur Welt. Die Ärzte waren still, dann tuschelten sie und waren verwirrt, denn irgendetwas stimmte nicht. Mittlerweile darf ich wissen, dass Gott mich vorbereiten wollte – doch damals war es mir nicht bewusst.

Ein solches Kind ist eine Berufung. Es ist gibt viele unterschiedliche Phasen und Prozesse durch die wir gemeinsam gehen. Man wächst in seine Aufgaben hinein. Genauso,wie es beim Muttersein auch ist. Er ist ein Werk des Herrn und ein wunderbares Geschenk, welches mir von Gott anvertraut wurde. Gott ist immer da, kümmert sich um uns und in schwierigen Zeiten trägt er mich durch. Er hilft uns die richtigen Entscheidungen zu treffen und ich darf wissen,er lässt mich nie allein! Ich muss das Muttersein nicht alleine meistern.

Heute kann ich sagen: das Downsyndrom ist ein absoluter Segen für uns und ich bin dankbar.

Dankbar, dass wir mit Aaron leben dürfen.

Dankbar, dass mich diese Diagnose so viel gelehrt hat.

Dankbar, dass ich geformt wurde und verändert wurde.

Dankbar, dass Gott mein Herz gegenüber Menschen mit Behinderungen, und vor allem für Kids, geöffnet und groß gemacht hat. Vor den Zwillingen hatte ich keine Berührungspunkte mit behinderten Menschen. Etwas, das mir in meiner menschlichen Entwicklung wirklich gefehlt hat.

Ich habe einen neuen Blickwinkel, der mich so sehr bereichert und den ich ohne das Downsyndrom unseres Sohnes nicht bekommen hätte:

Menschen mit Behinderungen sind

von Gott gesehen,

absolut gewollt

und vor allem geliebt.

Warum tun wir es ihm nicht gleich und fangen an

diese wunderbaren Menschen

zu sehen,

zu lieben

und mit ihnen gemeinsam durchs Leben zu gehen?!“



DANKE VIKA für deine Worte!!

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