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Darf ich das?

5. März 2022

Seit einem Jahr sind wir wieder Zuhause … Ist es wirklich schon ein Jahr her?

Vor einem Jahr hatte mein Sohn eine Knochenmarktransplantation – 7 Wochen Krankenhaus. Davor haben wir vier Jahre versucht, seine seltene Immunkrankheit so gut es geht zu meistern.

Jetzt ist er gesund. Zumindest scheint es so … Er bekommt noch zwei Medikamente, denn bis sein Körper sich von allem erholt hat, braucht es Zeit. 

Jetzt sind wir eine ganz normale Familie. Und doch stimmt das irgendwie nicht.

Gerade stecke ich in den Vorbereitungen für eine Beerdigung.
Für Jolina, 18 Jahre alt.
Das ist so traurig, das tut so weh im Herzen, in meinem aber vor allem im Herzen der Eltern, Großeltern und Geschwister. 
Doch was ist in einem Jahr? Dann sind sie doch auch immer noch nicht wieder eine ganz normale Familie – oder?

Und ich würde behaupten, dass es auch nie wieder eine ganz normale Familie sein wird.
Sie nicht und wir auch nicht. Es wird immer anders sein. Solch ein Ereignis verändert jede Familie. 

Die Krankheit meines Sohnes hat mich verändert, meine Ehe, meine kleine Familie. Und das meine ich gar nicht nur negativ.
So intensiv solch eine Zeit von Schmerz geprägt sein kann, kann es dann irgendwann wieder gute Zeiten geben. Wir können wieder lachen und nach außen hin auch ganz normale Dinge tun, die normale Familien eben tun. 

Jetzt ist doch alles gut. Ja UND nein. Ich werde diese Zeit nicht vergessen. Die Eltern von Jolina werden Jolina nicht vergessen und die Trauer, das Vermissen wird mal mehr und mal weniger präsent sein. Doch ich finde, das Wichtigste, das die Mitmenschen wissen müssen, ist, dass man solche Ereignisse nicht einfach abhakt. Und sie auch nicht abhaken MUSS. Ich glaube, dass Gott meine Wunden mit mir gemeinsam anschauen wird, und dass er sie auch heilen wird. Doch manchmal passiert das nicht sofort. Manchmal reißen sie wieder auf und da hilft der Satz nicht „Aber das ist doch jetzt schon so lange her!“. 

Lasst uns mit Wunden und mit Narben vorsichtig umgehen und uns gegenseitig die Erlaubnis geben, UNS ZEIT ZU NEHMEN. Und manchmal bin ich beides: traurig UND fröhlich. Ich glaube, der Schmerz aus dieser Zeit, erinnert mich immer wieder daran, dass ich einen Gott habe, der mich da durchgetragen hat. Der Schmerz hilft mir auch gegen das Vergessen.
Wir sind seit einem Jahr zuhause und dafür sind wir so dankbar.

Ob ich das alles schon verarbeitet habe?

Nein.

Und das ist okay!

UND 
Auf die Frage: Wie geht es dir?
Was soll ich darauf antworten?
Nicht gut – nicht schlecht
Sondern UND
Dunkelheit UND Schönheit
Schatten UND Licht 
Traurigkeit UND Fröhlichkeit 
Weinen UND Lachen 
Schmerz UND Hoffnung 
Tiefen UND Höhen
Anklagen UND Leben 
Trauer UND Dankbarkeit
Das geht alles nebeneinander her 
Ich lerne mit dem UND zu leben 
Das UND ist die Hoffnung 
Hinter den schwierigen Zeiten kommt immer noch ein UND 
Dann werden wir lachen, auch wenn alles dagegenspricht 
Dann werden wir hoffen, auch wenn alles dagegenspricht 
Dann werden wir lieben, auch wenn alles dagegenspricht 
Dann werden wir glauben, Auch wenn alles dagegenspricht 
Dann kann sich was verändern 
Du kannst wütend sein UND tiefen Frieden empfinden 
Du kannst Gott anklagen UND um Hilfe bitten 
Du kannst dich schwach fühlen UND getragen fühlen 
Du kannst trauern UND dankbar sein 
Du kannst dich einsam fühlen UND getragen fühlen 
Es kann so wehtun UND es kann sich gut anfühlen 
Die Gefühle wechseln täglich, manchmal minütlich
Es gibt kein richtig UND falsch 
Einfach UND 
Einfach sein 
aus dem Buch TRAUER IST LIEBE von Christine Heinzmann

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